Aktuell in der Diskussion

Der Offenbarungseid des Verkehrsministers

Pressemitteilung der Bürgerbahn-Denkfabrik für eine starke Schiene

Seit Jahren widersetzt sich Bundesverkehrsminister Wissing einem Tempolimit auf Autobahnen und der Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes, das es den Kommunen einfacher machen würde, auch auf klassifizierten Innerortsstraßen durchgehende Tempo 30 Regelungen einzurichten. Dann streicht er der Deutschen Bahn Finanzierungsmittel zur Sanierung und Ausbau/Reaktivierung von Bahnstrecken in Höhe von 18 Mrd. Euro. Ganz zu schweigen von der Weigerung, 65 Mrd. Euro klimaschädlicher Subventionen – pro Jahr wohlgemerkt – im Verkehrssektor (Dieselprivileg, Steuerbefreiung von Flugbenzin, Mehrwertsteuerbefreiung von grenzüberschreitenden Flugtickets, Dienstwagenprivileg) zu streichen. Kein Wunder, dass so der Verkehrssektor sein Einsparziel gemäß Klimaschutzgesetz um 22 Mio. Tonnen CO2 verfehlt. Nun zu behaupten, für die Erreichung dieses Einsparziels müssten die Autofahrer ihren Wagen an zwei Tagen in der Woche stehen lassen, ist an Demagogie nicht zu überbieten. Die Forderung von Fahrverboten zeigt einzig die Dringlichkeit und den Umfang des Problems, das vor allem auf das Nichtstun des Ministers in den letzten drei Jahren zurückzuführen ist. Abgesehen davon haben sich aber die vier autofreien Sonntage in der Zeit der ersten Ölkrise durchaus bewährt. Das Auto-Volk geriet in Feierstimmung und hat landauf-landab viele kreative Mobilitätslösungen ohne Auto gefunden. Nicht umsonst sind seither die vielen lokalen und regionalen Autofrei-Tage eigentlich immer große Festtage. Das heutige Ausmaß der Autoabhängigkeit gelegentlich in Frage zu stellen, ist also gar nicht das Horrorscenario, das Minister Wissing heraufbeschwört. Eine gelegentliche Autofastenkur würde das Land wieder richtig in Bewegung bringen, mit neuen Spaß an der Aktivmobilität. Aber Wissing meint seinen Vorschlag ja gar nicht ernst.

Bürgerbahn-Denkfabrik fordert daher:

  1. Beibehaltung der Sektor-spezifischen Einsparverpflichtungen
  2. Abschaffung der klimaschädlichen Subventionen im Verkehrssektor und Einstellung von Inlandskurzstreckenflügen
  3. Kein weiterer Neubau von Schnellstraßen und Autobahnen, forcierte Sanierung des Bestandsnetzes
  4. Anpassung der überzogenen Wachstumsprognosen im Bundesverkehrswegeplan an die Realität
  5. Aufstockung der Finanzierungsmittel für die Bahn für die Reaktivierung von Bahnstrecken, Beseitigung von Engpassstellen, vollständige Elektrifizierung des Netzes, Ausbau der Nachtzugverbindungen und Ausbau der grenzüberschreitenden Bahnverbindungen.
  6. Umgehende Einstellung kontraproduktiver Bahngroßprojekte wie Stuttgart 21, 2. S-Bahnstammstecke München, Fernbahntunnel Frankfurt, Bahnhofsverlegung Altona und Verzicht auf monatelange, vollständige Streckensperrungen im Rahmen des Generalsanierungskonzeptes, weil dies die Abwanderung der Fahrgäste von der Bahn beschleunigt
  7. Langfristige Absicherung der Finanzierung des Deutschland-Tickets und Einführung eines Flatrate-Bahntickets auch für den Fernverkehr für 5 Euro/Tag
  8. Ausreichende Aufstockung und Dynamisierung der Regionalisierungsmittel, damit Länder in ihrer Finanznot nicht gezwungen sind, Nahverkehrsleistungen abzubestellen
  9. Forcierte Verlagerung von grenzüberschreitenden Güterströmen auf die Bahn und auf Binnenschiffe
  10. Neuorganisation der Distributionslogistik der Internetversender, damit nicht täglich fünf verschiedene Zusteller (DHL, GLS, UPS, FedEx, Hermes, usw.) jede Straße anfahren.

Dazu Heiner Monheim, Sprecher von Bürgerbahn-Denkfabrik für eine starke Schiene: „Es ist schon grotesk, wenn Bundesverkehrsminister Wissing, der sich bisher durch jahrelanges Nichtstun in Sachen Klimaschutz und Kürzung der Finanzierungsmittel für die Bahn ausgezeichnet hat, jetzt versucht, mit Horror-Szenarien die Autofahrer für seine Wahlkampfziele einzuspannen. Es wird allerhöchste Zeit, dass der Kanzler diesen Minister „zurückpfeift“ und ein Machtwort für wirksamen Klimaschutz spricht. Damit eine Verkehrspolitik Platz greifen kann, die die Verkehrsträger des Umweltverbundes (Fußverkehr, Radverkehr und  öffentlichen Verkehr) massiv fördert.“

(14. April 2024)


Zeitplan für Hinterlandanbindung kaum haltbar – Rechnungsprüfungsausschuss verpflichtet Verkehrsminister Wissing zu Gesprächen mit dänischem Kollegen

„Vorsorgliche“ Elektrifizierung der Fehmarnsundbrücke soll verhindert werden

Die ostholsteinische Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn (SPD) hält es für nahezu ausgeschlossen, dass die Deutsche Bahn den Zeitplan für die Hinterlandanbindung zur festen Fehmarnbeltquerung einhalten kann. Während die dänischen Bauherren die Eröffnung des Belttunnels bereits auf den 27. September 2029 terminiert haben, hinke die Bahn ihren Terminzielen hoffnungslos hinterher. Gerade mal ein Planfeststellungsbeschluss von zehn erforderlichen ist bislang ergangen, und das auch nur mit einjähriger Verspätung. Dieser Beschluss für den Planfeststellungsabschnitt 6 (Fehmarn) hat es allerdings in sich: Er beinhaltet auch die Elektrifizierung der Zugstrecke über die Fehmarnsundbrücke, die als „Rückfalloption“ dienen soll, falls der Tunnel unter dem Fehmarnsund nicht rechtzeitig zum September 2029 fertig ein sollte – woran niemand glaubt.

Das bringt nicht nur die Fehmaraner, sondern auch Bettina Hagedorn auf: Anstatt die alte Brücke hochzurüsten, was immense Kosten und große Belastungen für Mensch und Natur mit sich brächte, müssten jetzt Gespräche mit der dänischen Regierung geführt werden, um zu erreichen, dass der Fern- und Güterverkehr von Kopenhagen nach Hamburg bis zur Inbetriebnahme der deutschen Hinterlandanbindung zeitlich befristet weiterhin über die Jütlandroute laufen werde. Einen entsprechenden Beschluss fasste der Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages nun am 22. März. Bis Mitte Juni erwarten die Abgeordneten den Bericht von Bundesverkehrsminister Volker Wissing über die Verhandlungen mit seinem dänischen Amtskollegen Thomas Danielsen.

Lesen Sie die Pressemitteilung von Bettina Hagedorn hier

(März 2024)


Dauerkonflikt um Hinterlandanbindung und Fehmarnsundbrückefehlt es der Deutschen Bahn an Respekt für die Menschen im ländlichen Raum?

Von Hagen Scheffler, Lübeckische Blätter

Wieder nur ein Zwischenergebnis

Das Ringen zwischen dem Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages (RPA) und der Deutschen Bahn AG (DB) um Kosten der Hinterlandanbindung und Erreichbarkeit der Zeitpläne bis 2029 und die Frage der Elektrifizierung der Sundbrücke geht in die nächste Runde. Bettina Hagedorn, Bundestagsabgeordnete der SPD und Mitglied des RPA, informierte am 26. Febr. in Bannesdorf auf Fehmarn im Rahmen einer SPD-Veranstaltung über die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der DB zu zwei Kernproblemen: „Elektrifizierung der Fehmarnsund-Brücke“ und „Hinterlandanbindung in Ostholstein“. Bis zum 22. Februar sollten die DB und das Bundesverkehrsministerium einen detaillierten Fragenkatalog der RPA vom 15. Dez. 23 beantworten. Der abgelieferte Bericht enthielt offenbar zu wenig seriöse Antworten zum Zeitmanagement und zur Transparenz des Vorgehens, so dass der seit 2023 bestehende Dissenz weitergeht. An Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat der RPA einen langen Brief mit den unbeantwortet gebliebenen Sachverhalten geschickt, die Beantwortung wird beim nächsten Treffen im März erwartet.

Streitpunkt: Elektrifizierung der Fehmarnsundbrücke

Die Bundestagsabgeordnete gab einen kurzen Überblick darüber, wie die DB erst durch einen Beschluss des Bundestags zu einer neuen europaweiten Ausschreibung zur Sundquerung gebracht wurde, die 2017 eine grundlegend neuen Planung zur Sundquerung ermöglichte mit einem Absenktunnel als billigste Lösung gegenüber einem bis dahin präferierten „monströsen Brücken-Neubau“. Der vom Bundestag einstimmig getroffene Beschluss, an TEN-Strecken in Deutschland für Güterschwerverkehr übergesetzlichen Lärmschutz finanzieren zu wollen, hatte 2020 zur Folge, dass für die Trasse zwischen Lübeck und Puttgarden übergesetzliche Lärmschutzmaßnahmen in Höhe von 232 Mio. bewilligt worden sind. Damit wurde der Bau des Fehmarnsundtunnels festgeschrieben. Denn der Tunnel wird die Bürger*innen der Insel vor dem Lärm des erwarteten Güterschwerverkehrs mit XXL-Güterzügen schützen.

Ein Knackpunkt der Beschlüsse aber bestimmt derzeit die Diskussion: Was geschieht, wenn der Sundtunnel bis zum geplanten Eröffnungstermin 2029 nicht fertig ist?

Die DB gibt vor, dass der Sundtunnel rechtzeitig fertig wird.  Sie verfolgt jedoch eine Doppelstrategie: Sie will die Sundbrücke bis zur geplanten Fertigstellung des Sundtunnels als Interimslösung für den Schienen- und Autoverkehr nutzen. Die damit einhergehende Elektrifizierung der Brücke und der später erfolgende Rückbau würden nicht nur den Steuerzahlen mit ca. 50 Millionen Euro, sondern auch die Bausubstanz erheblich belasten. Da der Kreis später die Baulast der Brücke übernehmen muss, ist das ein „vergiftetes Geschenk“ (Marianne Unger, SPD Fehmarn) oder eine „tickende Zeitbombe“ (Niclas Dürbrook, Verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion).

Bettina Hagedorn, direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Ostholstein, fordert dagegen den Verzicht auf die kostspielige „Doppelplanung“ der DB. Wenn die DB nicht rechtzeitig mit der verspätet aufgenommenen Sundtunnel-Planung fertig wird, dann dürfe die Bevölkerung Fehmarns nicht unter dem nicht vorhandenen Lärmschutz leiden, dann müsse bis zur Fertigstellung der Zugverkehr von Hamburg weiter über den Jütland-Korridor nach Kopenhagen fahren. Die Verantwortlichen müssten das rechtzeitig mit Dänemark laut Artikel 22 des Staatsvertrags klären.

In diesem Zusammenhang wies die Bundestagsabgeordnete „haltlose Presseberichte“ von Anfang Februar 2024 zurück, wonach die Bahn eine „Streichliste“ besitze und die Finanzierung des Baus der Fehmarnbelt-Hinterlandanbindung und der übergesetzlichen Lärmschutzmaßnahmen wegen fehlender Haushaltsmittel in Gefahr sei. Hagedorn stellte klar, dass die DB über die Finanzierung einer durch Staatsvertrag gesicherten Güterschwerverkehrstrasse keine Mitsprache besitze. Das sei Sache des Bundesverkehrsministeriums und des Deutschen Bundestags. Viel wahrscheinlicher stecke hinter der sog. „Streichlisten-Meldung“ ein Versuch der DB, einen „Sündenbock“ für den Fall zu präsentieren, wenn die verkündeten Zeitpläne bis 2029 scheitern, was für Hagedorn wahrscheinlich ist.

Streitpunkt: Hinterlandanbindung und Zeitmanagement

Die Fehmarnbelt-Hinterlandanbindung ist von der DB in 10 Abschnitte aufgeteilt worden.
Gebaut werden kann erst, wenn die dafür vorgesehenen Planfeststellungsverfahren (PFV) abgeschlossen sind:

2024: 2 PFV (Fehmarn und Lübeck)

2025: 3 PFV

2026: 5 PFV (darunter: Sundtunnel und Bad Schwartau)

Gegen jedes PFV können Einwände erhoben werden, betroffene Kommunen haben im Konfliktfall Klagerecht.

Das im Sommer 2020 begonnene PFV für Fehmarn sollte längst abgeschlossen sein, ist aber nach wie vor umstritten und liegt derzeit fest im Eisenbahn-Bundesamt.

Nach den Erfahrungen mit der bisherigen Praxis sei die Bahn mit ihrem vorgegebenen Zeitmanagement nicht ambitioniert, sondern überfordert. Bettina Hagedorn zeigte sich überzeugt, dass die DB den Bau der Hinterlandanbindung samt Sundtunnel, nach Kostenschätzung ca. 4 Milliarden Euro (Stand 2022), nicht zu dem von Dänemark bereits festgesetzten Termin für die Belttunnel-Öffnung am 27. Sept. 2029 abgeschlossen hat. Der Zeitpunkt der Fertigstellung sei vor allem auch durch die Klagemöglichkeit der Gemeinden bestimmt (wegen Elektrifizierung der Sundbrücke und fehlender Schallschutzmaßnahmen und wegen dem von Bad Schwartau geforderte 7-Meter-Trog als Schallschutzmaßnahme und gegen die Zerschneidung des Stadtbildes durch 6 Meter hohe Lärmschutzwände).

Die PFV für den Sundtunnel und für Bad Schwartau sind für das 4. Quartal 2026 vorgesehen. Wer kann sich vorstellen, dass die beiden letzten Teilstücke der Hinterlandanbindung dann am 27. Sept. 2029 gebaut und befahrbar sind?

Das Vorgehen der Bahn im ländlichen Raum

Gegen das Vorgehen der DB in Ostholstein hat sich deutlicher Widerstand entwickelt. Wenn sich auf Fehmarn 2029 die Schranken des Belttunnels öffnen, der Verkehr auf einer vierspurig ausgebauten Autostraße bis zum „Kleiderbügel“ (Sundbrücke) braust, sich dann zweispurig über den Sund quält und  staut, weil der Tunnel nicht fertig ist, und dann vierspurig weitergeleitet wird, dann bringt es heute schon die Fehmaraner auf die Palme, so auch auf der SPD- Veranstaltung in Bannesdorf. Ähnlich ist die Stimmung in Bad Schwartau, wo die DB allenfalls eine etwa 3 Meter Trog-Strecke als Kompromiss vorgeschlagen hat, ansonsten an hohen Lärmschutzwänden festhält. „Selbstherrlich“ hat Bettina Hagedorn das Vorgehen der DB in Ostholstein genannt. Die schnelle Verbindung von Metropole zu Metropole ist das eine, aber die davon betroffenen  Menschen im ländlichen Raum müssen das nicht einfach schicksalshaft hinnehmen, sie haben ein Recht auf mehr Respekt vom Vorhabenträger DB vor ihrem Leben, ihren Interessen, ihrem Wohlergehen.

(März 2024)


Wählen Sie den Ausstieg, Herr Wissing!


Die Deutsche Bahn muss viele Neubauprojekte auf den Prüfstand stellen, nachdem das Bundesverfassungsericht den zweiten Nachtragshaushalt 2021 der Bundesregierung gekippt hat – eventuell auch die Schienenanbindung an den Fehmarnbelttunnel.

Weder Ostseetunnel noch Schienenhinterlandanbindung sind nötig – nicht verkehrstechnisch, nicht für eine sinnvolle Wirtschaft der Zukunft, nicht um Dänemark und Kopenhagen mit Europa zu verbinden. Das war immer die Auffassung der Beltquerungsgegner, zusammengeschlossen in der Allianz der Bürgerinitiativen gegen die FFBQ.

Eine feste Güterzugstrecke über Jütland und vier Fährverbindungen – im Übrigen auch solche, die Schienen für Güterzüge an Bordhaben/hatten – bieten eine Verkehrsinfrastruktur, nach der sich die meisten Regionen der Welt „die Finger lecken“ würden. Nur hier muss im Rausch des Höher, Schneller, Weiter noch die nächste Runde aufgelegt werden.

Wenn dieser Irrsinn jetzt aus Haushaltsknappheit in Gefahr gerät – gut so.

Am besten: eine alternative Verwendung für fertige Tunnelelemente in Dänemark finden. Auch im bereits gebaggerten Graben: als Unterwasserwelt-Saloon z.B.. Sicherlich lassen sich in die Tunnelelemente noch Fenster einbauen. Ein gute Einnahmequelle – und die Möglichkeit für uns Menschen die Ostsee ohne weitere schädliche Beeinträchtigung zu sehen. Die restliche Tunnelrinne im Belt wird durch die natürliche Strömung mit der Zeit wieder zugespült. Mit Glück entwickeln sich hier auch wieder natürliche Riffe auf der Vernarbung.

Am zweitbesten: eine Verzögerung in der Bauplanung. Insbesondere zur Schienenanbindung an den Tunnel haben alle Betroffenen noch Unmassen an Fragen, die dann in Ruhe und mit inhaltlicher Tiefe erörtert werden könnten – entkommen der ewigen Hetze der Vorhabensträger und Ministerien. Zum Beispiel Thema Bäderbahn für den kleinräumigen Anbindungsverkehr als ein so wichtiger Aspekt der erforderlichen Verkehrswende: nämlich schienenbasierter öffentlicher Personen-Nah-Verkehr. Aber vor allem geht es auch um die Sorgen um Umwelt- und Wasserschutz. Denn für das ganze Mammutprojekt gilt nach wie vor: Riesensummen sollen hier fließen für wenig Bedarf und unglaublich viel Umweltbelastung.

Also los, Herr Wissing: Nehmen Sie mit mit Dänemark Kontakt auf, setzen Sie den Staatsvertrag um, indem der §22 als Ausstiegsoption zur Geltung gebracht wird. Auch das gibt der Vertrag her – wenn man etwas Sinnvolles tun will. Bei soviel „Sparnot“ sicher angemessen.

Bodo Gehrke, Allianz gegen die feste Fehmarnbeltquerung

(Februar 2024)

Lesen Sie dazu die Texte aus den Lübecker Nachrichten : „Hinterlandanbindung In Gefahr?“ und „So reagieren Politiker in der Region“


Fehmarnsundquerung: Bahn wegen Doppelplanung unter Druck

Die Kritik an der vorgesehenen Elektrifizierung der alten Fehmarnsundbrücke, die eine „Rückfalloption“ für den Fall darstellen soll, dass der Fehmarnsundtunnel nicht bis 2029 fertig wird, reißt nicht ab. Derzeit betreibt die DB Netz AG eine Parallelplanung – zum einen arbeitet sie an der Vorbereitung des 2020 beschlossenen Tunnels unter dem Sund, zum anderen stellt sie im Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt 5.2 (Großenbrode/Heiligenhafen) Baumaßnahmen vor, die aller Voraussicht nach vorübergehend sein werden und zum Teil nach Fertigstellung des Sundtunnels zurückgebaut werden müssen. In erster Linie geht es um die Elektrifizierung und den Neu- und  Ausbau der eingleisigen Eisenbahnstrecke zur Sundbrücke.

Diese ökologisch und ökonomisch unsinnige Doppelplanung hat jetzt auch den Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages auf den Plan gerufen. Am 29. September standen die Vorstände der Deutschen Bahn Berthold Huber und Ingrid Felipe dort Rede und Anwort. Im Ergebnis forderte der Ausschuss die Deutsche Bahn und das Verkehrsministerium auf, zum 9. November 2023 einen erneuten Bericht zur Planung der Sundquerung vorzulegen. Außerdem beschloss der Ausschuss, dass das Verkehrsministerium mit der dänischen Regierung Gespräche über eine Übergangsregelung führen müsse, falls die Schienenanbindung zur Fehmarnbeltquerung nicht bis 2029 betriebsbereit sein sollte.

Lesen Sie dazu auch die Pressemitteilung der SPD-Bundestagsabgeordneten Bettina Hagedorn

(Oktober 2023)


Bäderbahn in fragwürdiger Weise zum Opferlamm gemacht

Landesverkehrsminister, Eisenbahn-Bundesamt und Bahn haben nun das Aus für die Bäderbahn beschlossen. Hauptgrund: Die Einbeziehung der Bäderbahn in die Planung für die Schienen-Hinterlandanbindung sei ein zu hohes Risiko für die Einhaltung des vom Fehmarnbelt-Tunnel vorgegebenen Fertigstellungstermins. Vor allem sollen damit zusätzliche Klagen vermieden werden, die bei Einbeziehung der Bäderbahn in die Planung der Schienen-Hinterlandanbindung erhoben werden könnten.

Die Begründung für diesen Planungsstopp geht offensichtlich an der Realität vorbei. Die Hoffnung der drei Entscheidungsträger auf eine Reduzierung oder sogar Vermeidung von Klagen gegen die Planung bleibt ein Wunschtraum. Bereits anhand der laufenden Planfeststellungsverfahren für die Schienen-Hinterlandanbindung ist die Notwendigkeit umfangreicher und vor allem zeitraubender Planänderungen absehbar. Diese werden schon allein aufgrund von klar erkennbaren Rechtsverstößen in der Festlegung der Planungsgrundlagen erforderlich. Sollte es zu Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse kommen, wird das Bundesverwaltungsgericht angesichts dieser Rechtswidrigkeiten die vom Eisenbahn-Bundesamt erteilten Baugenehmigungen aufheben müssen. Denn die Verstöße der Planung gegen geltendes Recht sind so eklatant, dass diese das Gericht zwingen werden, von seiner bei großen Verkehrsprojekten allgemein auf Planerhalt ausgerichtete Rechtsprechung abzuweichen.

Die Forderung der Gemeinden an der Lübecker Bucht nach Einbeziehung der Bäderbahn in die Planung für die Schienen-Hinterlandanbindung darf von den drei Entscheidungsträgern nicht, wie jetzt geschehen, von „hoher Hand“ einfach beiseite getan werden. Zumindest ist diese von der Bahn als Vorhabenträgerin auf die verkehrlichen Interdependenzen zur Schienen-Hinterlandanbindung zu prüfen. Ebenso sind in diesem Zusammenhang die gesetzlichen Grundsätze der Einhaltung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gründlich zu bewerten. Wo sind diese Prüfungen? Diese Frage richtet sich sowohl an die Vorhabenträgerin, aber insbesondere an das Eisenbahn-Bundesamt als Planfeststellungsbehörde. Letztere ist verpflichtet, alle von der Bahn öffentlich ausgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit zu prüfen. Dass sie dieser Pflicht offenbar nicht nachkommt, ist bereits anhand der bereits eingeleiteten Planfeststellungsverfahren und der in den ausgelegten Planungsunterlagen enthaltenen Gesetzwidrigkeiten erkennbar. Bei dem Beschluss zum Aus für die Bäderbahn ist das Bundesamt vermutlich ebenso vorgegangen. Und so landet die Bäderbahn als Opferlamm auf dem hehren Altar der Vertragstreue gegenüber dem Staatsvertrag zur Festen Fehmarnbeltquerung. Eine rechtzeitige Fertigstellung der Schienen-Hinterlandanbindung wird dieses Opfer jedoch nicht bewirken.

Hendrick Kerlen, Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen eine feste Fehmarnbeltquerung e.V.

Lesen Sie zum Thema auch eine Stellungnahme der Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene

(September 2023)


Fehlplanung für die Querung des Fehmarnsunds:
Doppelt hält nicht besser!

Bahn- und Straßenanbindung zum Fehmarnbelt-Tunnel wird zweimal geplant –
und schlimmstenfalls auch gebaut

Im Planfeststellungsverfahren (PFV) 5.2 für die Schienenanbindung der Fehmarnbelt-Querung nördlich von Großenbrode ist eine Trasse vorgesehen, die nicht dem konzeptionierten Verlauf dieser Anbindung entspricht. Dieser soll durch einen Tunnel unter dem Fehmarnsund führen, da die alte Sundbrücke den Anforderungen des zunehmenden Straßen- und Güterverkehrs nicht gewachsen ist. Die Planung für diesen Tunnel, der erst 2020 beschlossen wurde, ist noch nicht fertig, sie ist also nicht Bestandteil des aktuellen Verfahrens für den Abschnitt 5.2.
Die jetzt ausgelegten Planunterlagen umfassen somit eine Reihe von Baumaßnahmen, die aller Voraussicht nach vorübergehend sein werden und zum Teil nach Fertigstellung des Sundtunnels zurückgebaut werden müssen, in erster Linie geht es um die Elektrifizierung und den Neu- und  Ausbau der eingleisigen Eisenbahnstrecke zur Sundbrücke. Denn eine Wiederaufnahme des seit Jahren eingestellten Bahnverkehrs über den „Kleiderbügel“ wäre nur notwendig, wenn der Sundtunnel nicht gleichzeitig zur 2029 vorgesehenen Betriebsaufnahme des Fehmarnbelt-Tunnels betriebsbereit würde – und damit auf jeden Fall temporär.

Ein Provisorium unklarer Dauer
Wie lange ein solches Provisorium dauern könnte, ist unklar. Gleichzeitig gibt die Bahn jedoch das Ziel vor, den Sundtunnel ebenfalls 2029 in Betrieb zu nehmen. Falls dies gelingt, handelt es sich bei der aktuellen Planung im Abschnitt 5.2 um eine rechtswidrige Vorratsplanung.
Statt einer Planung aus einem Guss auf den Tunnel hin wird hier also auf eine Interimslösung gesetzt, und voraussehbare Überplanungen werden in Kauf genommen – das Gegenteil eines koordinierten, ressourcenschonenden Vorgehens. Diese Beanstandung ist auch ein Hauptpunkt in der Mustereinwendung gegen den PFA 5.2.

Überflüssige Eingriffe, vermeidbare Klimabelastung
Die Prüfungsbehörde müsste allein schon aus diesem Grund die Einreichung für den Abschnitt 5.2 zurückweisen. Die Planung widerspricht dem Gebot zur Einhaltung der Eingriffsminimierung. Der Ausstoß an vermeidbaren Treibhausgasen wäre bei Umsetzung der Maßnahmen gewaltig: Transporte, Baggerarbeiten, Betonherstellung und vieles mehr. Außerdem würden Flächen versiegelt oder zumindest verdichtet, der Wasserverbrauch  wäre enorm – diese unvollständige Liste erfasst nur die wichtigsten umweltrelevanten Aspekte beim Bau eines Infrastrukturprojektes.

Verschwendung von Steuergeld
Zudem widerspricht diese Planung den Erfordernissen der Bundeshaushaltsordnung, die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Infrastrukturprojekten verlangt (§ 7 BHO) Stattdessen wird hier mit Doppelplanung und Doppelbau systematisch die Verschwendung öffentlicher Mittel verfolgt.

Sanierung ja – aber nicht für Güterzüge
Die Lösung kann nur heißen: ein solider, ohne Zeitdruck realisierter Sundtunnel mit einer möglichst umweltschonenden Bauweise an Land und am Grund des Meeres im Sund. Keinesfalls darf die Sundbrücke bis dahin (und auch danach als „Ausweichstrecke“) für Güterzüge genutzt werden. Die Ertüchtigung samt Elektrifizierung dieses kurzen Gleisabschnitts weckt allerdings Befürchtungen, dass genau dies von der Bahn geplant wird. Entsprechender Lärmschutz ist allerdings nicht vorgesehen.

Die derzeitige Sanierung der Brücke, die von der DB über zehn Jahre sträflich versäumt wurde und jetzt im Eiltempo nachgeholt wird, muss allein den künftigen Nutzern zugute kommen: Fußgänger, Radfahrer, Landwirtschaft.

(August 2023)


Stellungnahme der Allianz gegen FFBQ zu ungewissen Plänen zur Zukunft Ostholsteins

Nichts als Unklarheit

In Rödby entstehen die Betonelemente für den Fehmarnbelt Tunnel, in Puttgarden auf Fehmarn ist der Arbeitshafen fertig – es gibt kaum Zweifel, dass die Durchquerung der Ostsee zwischen Dänemark und Deutschland 2029 fertig sein wird. Ganz anders sieht es mit der Schienenanbindung durch Ostholstein.

Erst seit 2020 steht fest, dass die erforderliche Verbindung zwischen Fehmarn und dem deutschen Festland durch einen weiteren Tunnel durch den Fehmarnsund geschaffen werden soll. Mit einiger Sicherheit ist dieser Tunnel nicht bis 2029 fertiggestellt. Die große Frage ist also: Wie kommen die Güterzüge von und nach Skandinavien über diese Meerenge? Für Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen offenbar kein Problem. Da die Bahn derzeit die alte Sundbrücke für langsame Verkehre (Trecker, Fahrräder, Fußgänger) instand setzt, könne die bestehende Strecke auch gleich elektrifiziert werden, um ab 2029 den Güterverkehr vorübergehend aufzunehmen.

Dem widerspricht Ostholsteins SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn vehement: Ein Gutachten der Deutschen Bahn habe bereits 2012 ergeben, dass die Sundbrücke unter gar keinen Umständen statisch in der Lage sei, das Gewicht der skandinavischen XXL-Güterzüge zu tragen. Außerdem sei es undenkbar, diese Züge ohne jeden Lärmschutz über den Sund fahren zu lassen. Für Hagedorn ist klar: Solange der Sundtunnel nicht fertig ist, müssen Güterzüge aus und nach Dänemark weiter die Jütland-Route über das Festland nutzen.

Ungeklärt ist auch die Übernahme der Baulast und Trägerschaft für die Fehmarnsundbrücke: Nach dem Straßen- und Wegegesetz ist der Kreis Ostholstein in der Pflicht, der damit jedoch überfordert wäre.

Dass die neue Bahntrasse mitten durch Ostholstein Lärm, Erschütterungen und jahrelange Baustellen bedeuten wird, ist bekannt. Doch was wird sie der regionalen Wirtschaft bringen? Unter dem Titel „Chancennutzung entlang der neuen transeuropäischen Verkehrsachse durch den Bau der FFBQ“ tauschten sich dazu Ende April in Oldenburg der Wirtschaftsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags und geladene Gäste aus. Mitglieder der Allianz gegen die feste Fehmarnbeltquerung verfolgten die Sitzung. Klar wurde dabei vor allem eins: Für die Befürworter des Gesamtprojekts in der Runde würden die Chancen in der Ausweisung neuer Gewerbegebiete mit entsprechender Straßenverkehrsanbindung bestehen – an eine Güterverladung auf die Schiene wurde jedoch nicht gedacht. Auf Nachfrage stellte Wirtschaftsminister Madsen klar, dass auch im Lübecker Bahnhof keine freie Verladekapazität vorhanden ist. Bleibt die propagierte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene also nur ein frommer Wunsch und eine leere Worthülse?

Gleichzeitig lieferten Wirtschaftsexperten aus verschiedenen Regionen einheitlich ernüchternde Fakten: Es gebe in Ostholstein keine nennenswerten Flächen für Gewerbeansiedlung, in Lübeck gar keine, in Stormarn nur begrenzt. Parallel dazu besteht in Ostholstein mit seinem Hauptwirtschaftszweig Tourismus eher Fachkräftemangel … statt Arbeitsplatznot.

Doch gerade Millionen Feriengäste pro Jahr werden nicht begeistert sein über die Aussicht, die der jüngst berufene Baustellenkoordinator Carsten Behnk für zehn Jahre in Aussicht stellte: „Wir erwarten hier durch die Baustellen ein maximales Chaos. Wir hoffen, dass in irgendeiner Form strukturieren und lenken zu können. Das ist ganz wichtig bei einem solchen Mammutprojekt. Denn wenn die Menschen merken, das funktioniert alles nicht, das ist nicht aufeinander abgestimmt, dann wird es scheitern.“

Das gilt umso mehr für die direkt betroffenen Menschen, die hier leben, die hier arbeiten, zu Schule gehen oder ihre Ausbildung machen

Zusammenfassend bleibt der Eindruck, dass die Region Ostholstein durch die von der festen Fehmarnbeltquerung initiierte Verkehrsentwicklung in Gefahr gerät. Ostholstein wird zum Transitland degradiert.

Ohne politische Steuerung und massive finanzielle Unterstützung von Seiten des Landes Schleswig-Holstein in

  • wirksame übergesetzliche Lärmschutzmaßnahmen, auf Basis einer Gesamtlärmbetrachtung,
  • die Unterstützung der Gemeinden bei der Fortentwicklung der Infrastruktur wie z.B. beim Bau von Radwegen, finanzierbarem Wohnraum, erneuerbarer Energie, Entwicklung des ÖPNV Schiene

werden die sogenannten Chancen ausschließlich Belastungsrisiken für die Region sein.

Es geht um nichts weniger als um das Wohlergehen der Region Ostholstein.

(Mai 2023)

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