Bäderbahn in fragwürdiger Weise zum Opferlamm gemacht
Landesverkehrsminister, Eisenbahn-Bundesamt und Bahn haben nun das Aus für die Bäderbahn beschlossen. Hauptgrund: Die Einbeziehung der Bäderbahn in die Planung für die Schienen-Hinterlandanbindung sei ein zu hohes Risiko für die Einhaltung des vom Fehmarnbelt-Tunnel vorgegebenen Fertigstellungstermins. Vor allem sollen damit zusätzliche Klagen vermieden werden, die bei Einbeziehung der Bäderbahn in die Planung der Schienen-Hinterlandanbindung erhoben werden könnten.
Die Begründung für diesen Planungsstopp geht offensichtlich an der Realität vorbei. Die Hoffnung der drei Entscheidungsträger auf eine Reduzierung oder sogar Vermeidung von Klagen gegen die Planung bleibt ein Wunschtraum. Bereits anhand der laufenden Planfeststellungsverfahren für die Schienen-Hinterlandanbindung ist die Notwendigkeit umfangreicher und vor allem zeitraubender Planänderungen absehbar. Diese werden schon allein aufgrund von klar erkennbaren Rechtsverstößen in der Festlegung der Planungsgrundlagen erforderlich. Sollte es zu Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse kommen, wird das Bundesverwaltungsgericht angesichts dieser Rechtswidrigkeiten die vom Eisenbahn-Bundesamt erteilten Baugenehmigungen aufheben müssen. Denn die Verstöße der Planung gegen geltendes Recht sind so eklatant, dass diese das Gericht zwingen werden, von seiner bei großen Verkehrsprojekten allgemein auf Planerhalt ausgerichtete Rechtsprechung abzuweichen.
Die Forderung der Gemeinden an der Lübecker Bucht nach Einbeziehung der Bäderbahn in die Planung für die Schienen-Hinterlandanbindung darf von den drei Entscheidungsträgern nicht, wie jetzt geschehen, von „hoher Hand“ einfach beiseite getan werden. Zumindest ist diese von der Bahn als Vorhabenträgerin auf die verkehrlichen Interdependenzen zur Schienen-Hinterlandanbindung zu prüfen. Ebenso sind in diesem Zusammenhang die gesetzlichen Grundsätze der Einhaltung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gründlich zu bewerten. Wo sind diese Prüfungen? Diese Frage richtet sich sowohl an die Vorhabenträgerin, aber insbesondere an das Eisenbahn-Bundesamt als Planfeststellungsbehörde. Letztere ist verpflichtet, alle von der Bahn öffentlich ausgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit zu prüfen. Dass sie dieser Pflicht offenbar nicht nachkommt, ist bereits anhand der bereits eingeleiteten Planfeststellungsverfahren und der in den ausgelegten Planungsunterlagen enthaltenen Gesetzwidrigkeiten erkennbar. Bei dem Beschluss zum Aus für die Bäderbahn ist das Bundesamt vermutlich ebenso vorgegangen. Und so landet die Bäderbahn als Opferlamm auf dem hehren Altar der Vertragstreue gegenüber dem Staatsvertrag zur Festen Fehmarnbeltquerung. Eine rechtzeitige Fertigstellung der Schienen-Hinterlandanbindung wird dieses Opfer jedoch nicht bewirken.
Hendrick Kerlen, Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen eine feste Fehmarnbeltquerung e.V.
Lesen Sie zum Thema auch eine Stellungnahme der Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene
(September 2023)
Fehlplanung für die Querung des Fehmarnsunds:
Doppelt hält nicht besser!
Bahn- und Straßenanbindung zum Fehmarnbelt-Tunnel wird zweimal geplant –
und schlimmstenfalls auch gebaut
Im Planfeststellungsverfahren (PFV) 5.2 für die Schienenanbindung der Fehmarnbelt-Querung nördlich von Großenbrode ist eine Trasse vorgesehen, die nicht dem konzeptionierten Verlauf dieser Anbindung entspricht. Dieser soll durch einen Tunnel unter dem Fehmarnsund führen, da die alte Sundbrücke den Anforderungen des zunehmenden Straßen- und Güterverkehrs nicht gewachsen ist. Die Planung für diesen Tunnel, der erst 2020 beschlossen wurde, ist noch nicht fertig, sie ist also nicht Bestandteil des aktuellen Verfahrens für den Abschnitt 5.2.
Die jetzt ausgelegten Planunterlagen umfassen somit eine Reihe von Baumaßnahmen, die aller Voraussicht nach vorübergehend sein werden und zum Teil nach Fertigstellung des Sundtunnels zurückgebaut werden müssen, in erster Linie geht es um die Elektrifizierung und den Neu- und Ausbau der eingleisigen Eisenbahnstrecke zur Sundbrücke. Denn eine Wiederaufnahme des seit Jahren eingestellten Bahnverkehrs über den „Kleiderbügel“ wäre nur notwendig, wenn der Sundtunnel nicht gleichzeitig zur 2029 vorgesehenen Betriebsaufnahme des Fehmarnbelt-Tunnels betriebsbereit würde – und damit auf jeden Fall temporär.
Ein Provisorium unklarer Dauer
Wie lange ein solches Provisorium dauern könnte, ist unklar. Gleichzeitig gibt die Bahn jedoch das Ziel vor, den Sundtunnel ebenfalls 2029 in Betrieb zu nehmen. Falls dies gelingt, handelt es sich bei der aktuellen Planung im Abschnitt 5.2 um eine rechtswidrige Vorratsplanung.
Statt einer Planung aus einem Guss auf den Tunnel hin wird hier also auf eine Interimslösung gesetzt, und voraussehbare Überplanungen werden in Kauf genommen – das Gegenteil eines koordinierten, ressourcenschonenden Vorgehens. Diese Beanstandung ist auch ein Hauptpunkt in der Mustereinwendung gegen den PFA 5.2.
Überflüssige Eingriffe, vermeidbare Klimabelastung
Die Prüfungsbehörde müsste allein schon aus diesem Grund die Einreichung für den Abschnitt 5.2 zurückweisen. Die Planung widerspricht dem Gebot zur Einhaltung der Eingriffsminimierung. Der Ausstoß an vermeidbaren Treibhausgasen wäre bei Umsetzung der Maßnahmen gewaltig: Transporte, Baggerarbeiten, Betonherstellung und vieles mehr. Außerdem würden Flächen versiegelt oder zumindest verdichtet, der Wasserverbrauch wäre enorm – diese unvollständige Liste erfasst nur die wichtigsten umweltrelevanten Aspekte beim Bau eines Infrastrukturprojektes.
Verschwendung von Steuergeld
Zudem widerspricht diese Planung den Erfordernissen der Bundeshaushaltsordnung, die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Infrastrukturprojekten verlangt (§ 7 BHO) Stattdessen wird hier mit Doppelplanung und Doppelbau systematisch die Verschwendung öffentlicher Mittel verfolgt.
Sanierung ja – aber nicht für Güterzüge
Die Lösung kann nur heißen: ein solider, ohne Zeitdruck realisierter Sundtunnel mit einer möglichst umweltschonenden Bauweise an Land und am Grund des Meeres im Sund. Keinesfalls darf die Sundbrücke bis dahin (und auch danach als „Ausweichstrecke“) für Güterzüge genutzt werden. Die Ertüchtigung samt Elektrifizierung dieses kurzen Gleisabschnitts weckt allerdings Befürchtungen, dass genau dies von der Bahn geplant wird. Entsprechender Lärmschutz ist allerdings nicht vorgesehen.
Die derzeitige Sanierung der Brücke, die von der DB über zehn Jahre sträflich versäumt wurde und jetzt im Eiltempo nachgeholt wird, muss allein den künftigen Nutzern zugute kommen: Fußgänger, Radfahrer, Landwirtschaft.
(August 2023)
Stellungnahme der Allianz gegen FFBQ zu ungewissen Plänen zur Zukunft Ostholsteins
Nichts als Unklarheit
In Rödby entstehen die Betonelemente für den Fehmarnbelt Tunnel, in Puttgarden auf Fehmarn ist der Arbeitshafen fertig – es gibt kaum Zweifel, dass die Durchquerung der Ostsee zwischen Dänemark und Deutschland 2029 fertig sein wird. Ganz anders sieht es mit der Schienenanbindung durch Ostholstein.
Erst seit 2020 steht fest, dass die erforderliche Verbindung zwischen Fehmarn und dem deutschen Festland durch einen weiteren Tunnel durch den Fehmarnsund geschaffen werden soll. Mit einiger Sicherheit ist dieser Tunnel nicht bis 2029 fertiggestellt. Die große Frage ist also: Wie kommen die Güterzüge von und nach Skandinavien über diese Meerenge? Für Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen offenbar kein Problem. Da die Bahn derzeit die alte Sundbrücke für langsame Verkehre (Trecker, Fahrräder, Fußgänger) instand setzt, könne die bestehende Strecke auch gleich elektrifiziert werden, um ab 2029 den Güterverkehr vorübergehend aufzunehmen.
Dem widerspricht Ostholsteins SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn vehement: Ein Gutachten der Deutschen Bahn habe bereits 2012 ergeben, dass die Sundbrücke unter gar keinen Umständen statisch in der Lage sei, das Gewicht der skandinavischen XXL-Güterzüge zu tragen. Außerdem sei es undenkbar, diese Züge ohne jeden Lärmschutz über den Sund fahren zu lassen. Für Hagedorn ist klar: Solange der Sundtunnel nicht fertig ist, müssen Güterzüge aus und nach Dänemark weiter die Jütland-Route über das Festland nutzen.
Ungeklärt ist auch die Übernahme der Baulast und Trägerschaft für die Fehmarnsundbrücke: Nach dem Straßen- und Wegegesetz ist der Kreis Ostholstein in der Pflicht, der damit jedoch überfordert wäre.
Dass die neue Bahntrasse mitten durch Ostholstein Lärm, Erschütterungen und jahrelange Baustellen bedeuten wird, ist bekannt. Doch was wird sie der regionalen Wirtschaft bringen? Unter dem Titel „Chancennutzung entlang der neuen transeuropäischen Verkehrsachse durch den Bau der FFBQ“ tauschten sich dazu Ende April in Oldenburg der Wirtschaftsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags und geladene Gäste aus. Mitglieder der Allianz gegen die feste Fehmarnbeltquerung verfolgten die Sitzung. Klar wurde dabei vor allem eins: Für die Befürworter des Gesamtprojekts in der Runde würden die Chancen in der Ausweisung neuer Gewerbegebiete mit entsprechender Straßenverkehrsanbindung bestehen – an eine Güterverladung auf die Schiene wurde jedoch nicht gedacht. Auf Nachfrage stellte Wirtschaftsminister Madsen klar, dass auch im Lübecker Bahnhof keine freie Verladekapazität vorhanden ist. Bleibt die propagierte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene also nur ein frommer Wunsch und eine leere Worthülse?
Gleichzeitig lieferten Wirtschaftsexperten aus verschiedenen Regionen einheitlich ernüchternde Fakten: Es gebe in Ostholstein keine nennenswerten Flächen für Gewerbeansiedlung, in Lübeck gar keine, in Stormarn nur begrenzt. Parallel dazu besteht in Ostholstein mit seinem Hauptwirtschaftszweig Tourismus eher Fachkräftemangel … statt Arbeitsplatznot.
Doch gerade Millionen Feriengäste pro Jahr werden nicht begeistert sein über die Aussicht, die der jüngst berufene Baustellenkoordinator Carsten Behnk für zehn Jahre in Aussicht stellte: „Wir erwarten hier durch die Baustellen ein maximales Chaos. Wir hoffen, dass in irgendeiner Form strukturieren und lenken zu können. Das ist ganz wichtig bei einem solchen Mammutprojekt. Denn wenn die Menschen merken, das funktioniert alles nicht, das ist nicht aufeinander abgestimmt, dann wird es scheitern.“
Das gilt umso mehr für die direkt betroffenen Menschen, die hier leben, die hier arbeiten, zu Schule gehen oder ihre Ausbildung machen
Zusammenfassend bleibt der Eindruck, dass die Region Ostholstein durch die von der festen Fehmarnbeltquerung initiierte Verkehrsentwicklung in Gefahr gerät. Ostholstein wird zum Transitland degradiert.
Ohne politische Steuerung und massive finanzielle Unterstützung von Seiten des Landes Schleswig-Holstein in
- wirksame übergesetzliche Lärmschutzmaßnahmen
,auf Basis einer Gesamtlärmbetrachtung, - die Unterstützung der Gemeinden bei der Fortentwicklung der Infrastruktur wie z.B. beim Bau von Radwegen, finanzierbarem Wohnraum, erneuerbarer Energie, Entwicklung des ÖPNV Schiene
werden die sogenannten Chancen ausschließlich Belastungsrisiken für die Region sein.
Es geht um nichts weniger als um das Wohlergehen der Region Ostholstein.
(Mai 2023)